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AG Neurosensorik/Animal Navigation

Interview: Inspiration aus dem Tierreich

Exzellente Forschung an der Universität Oldenburg

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Prof. Dr. Henrik Mouritsen

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  • Großaufnahme einer Bogongmotte: Ein relativ großer Nachtfalter mit geschlossenen Flügeln, der auf einem Fels sitzt.

    Die berühmten australischen Bogong-Motten fliegen tausend Kilometer, um in kühlen Höhlen den Sommer zu verbringen. Ajay Narendra, Macquarie University

Nachtfalter nutzen Sterne als Kompass

Die australischen Bogong-Motten sind berühmt für ihre erstaunlichen Langstreckenwanderungen. Ein internationales Team mit Oldenburger Beteiligung hat nun herausgefunden, dass sich die Insekten dabei an den Sternen orientieren. 

Die australischen Bogong-Motten sind berühmt für ihre erstaunlichen Langstreckenwanderungen. Ein internationales Team mit Oldenburger Beteiligung hat nun herausgefunden, dass sich die Insekten dabei an den Sternen orientieren. 

Australische Bogong-Motten nutzen die Sterne der Milchstraße als Kompass, wenn sie sich auf die Reise ihres Lebens begeben – einen bis zu 1.000 Kilometer langen Trip von ihrem Geburtsort im Landesinneren zu den Australischen Alpen im äußersten Südosten des Kontinents. Das geht aus einer neuen Studie in der Fachzeitschrift Nature hervor, an der auch Oldenburger Forschende beteiligt waren. Die unscheinbaren Insekten sind damit die ersten bekannten wirbellosen Tiere, die sich bei einer Langstreckenreise auf einen Sternenkompass verlassen. 

Die neue Studie wurde von einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Lund in Schweden durchgeführt. Die Veröffentlichung legt dar, wie es den nachtaktiven Insekten gelingt, sowohl mit Hilfe der Sterne als auch des Erdmagnetfeldes zu navigieren, um ein Ziel zu finden, das sie noch nie zuvor besucht haben: eine kleine Zahl kühler Höhlen in den höchsten Bergen Australiens, den Snowy Mountains. Dort begeben sich die Insekten während des Sommers zur Ruhe, um der Hitze im Landesinneren zu entgehen. Im Herbst machen sich die etwa vier Millionen Nachtfalter auf den Rückweg. Am Ziel angekommen, paaren sie sich, legen Eier und sterben. Die nächste Generation kann somit nicht auf Erfahrungen von Tieren zurückgreifen, die die Reise bereits einmal hinter sich gebracht haben.

„Bisher war bekannt, dass einige Vögel die Sterne nutzen können, um über große Entfernungen zu navigieren. Dies ist das erste Mal, dass diese Fähigkeit bei einem Insekt nachgewiesen wurde“, sagt Prof. Dr. Eric Warrant von der Universität Lund, der die Studie leitete. Warrant ist als führender Wissenschaftler (Principal Investigator) am kürzlich bewilligten Exzellenzcluster NaviSense der Universität Oldenburg beteiligt. 

Auch an der aktuellen Studie wirkten Oldenburger Forschende mit: Der Biologe Prof. Dr. Henrik Mouritsen, Sprecher des zukünftigen Exzellenzclusters, und Dr. Jingjing Xu, die in Oldenburg promovierte und mittlerweile an der Süddänischen Universität in Odense forscht, waren an Verhaltensexperimenten beteiligt. Die technischen Werkstätten der Universität Oldenburg fertigten zudem Teile der Experimentiervorrichtung an.

Ein Flugsimulator für Bogong-Motten

Für die Verhaltensexperimente baute das Forschungsteam eine Art Flugsimulator, der wie ein Planetarium den Nachthimmel abbildet und zudem das Erdmagnetfeld abschirmt. Mit Hilfe dieser Versuchsapparatur und von Gehirnmessungen testeten die Forschenden in Australien, wie sich die Nachtfalter orientieren. 

Das Ergebnis: Wurde den Insekten ein natürlicher Sternenhimmel präsentiert, ohne dass ein Magnetfeld vorhanden war, flogen sie durchweg in die korrekte Zugrichtung für die jeweilige Jahreszeit. Wurde der Sternenhimmel um 180 Grad gedreht, änderten die Falter ihre Flugrichtung ebenfalls um 180 Grad. Waren die Sterne hingegen beliebig am Himmel angeordnet, verschwand die Orientierung der Motten und sie flogen in eine zufällige Richtung. „Es war ein echter Heureka-Moment, dies im Experiment zu erleben“, sagt David Dreyer, ein Forscher aus Lund.

Die Experimente zeigten, dass die Motten nicht einfach zur hellsten Lichtquelle fliegen oder einem einfachen visuellen Hinweis folgen, betont Warrant: „Sie lesen bestimmte Muster am Nachthimmel, um eine geografische Richtung zu bestimmen, genau wie Zugvögel.“

Ein weiteres interessantes Ergebnis: Wenn die Sterne durch Wolken verdeckt waren, behielten die Falter ihre Richtung bei und verließen sich nur auf das Magnetfeld der Erde. Dieses doppelte Kompasssystem sorgt dafür, dass die Tiere bei unterschiedlichen Umweltbedingungen zuverlässig navigieren können, so das Team.

Ein bemerkenswertes Beispiel für komplexe Navigationsfähigkeiten in einem winzigen Insektengehirn.

Eric Warrant

Die Forschenden untersuchten zudem, wie das Navigationsverhalten neurologisch gesteuert wird. Sie identifizierten spezialisierte Nervenzellen im Gehirn der Falter, die je nach Ausrichtung des Sternenhimmels eine unterschiedliche Aktivität zeigen. Diese Zellen sind in Gehirnregionen zu finden, die für Navigation und Steuerung zuständig sind. Sie werden besonders aktiv, wenn der Falter nach Süden schaut.

„Dieses Verhalten zeigt, dass das Gehirn der Bogong-Motten Himmelsinformationen auf erstaunlich raffinierte Weise kodiert – ein bemerkenswertes Beispiel für komplexe Navigationsfähigkeiten in einem winzigen Insektengehirn“, betont Warrant.

Den Forschenden zufolge könnte die Entdeckung dabei helfen, neue Technologien für die Robotik oder die Drohnennavigation zu entwickeln. Zudem erhofft sich das Team Informationen dazu, wie sich die Bogong-Motten besser schützen lassen. Die Populationen der Insekten sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen, sie werden mittlerweile als gefährdet eingestuft. Ein möglicher Grund könnte die zunehmende Lichtverschmutzung sein, ein anderer die menschliche Nutzung von Gebieten, die die Nachtfalter auf ihrer Wanderung durchqueren. 

„Hier geht es nicht nur um eine Motte, sondern darum, wie Tiere die Welt um sich herum wahrnehmen“, sagt Warrant. „Der Nachthimmel hat menschliche Entdecker seit Jahrtausenden geleitet. Jetzt wissen wir, dass er auch Motten leitet.“

Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Lund.

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