Auf dem Campus Haarentor lernen angehende Lehrkräfte, wie man einen Schulgarten pflegt. Das von der Pädagogin Ines Oldenburg geleitete Projekt „Campusacker“ soll helfen, Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Schulen zu bringen.
Gartenarbeit ist nicht immer eitel Sonnenschein. Das erlebt an diesem Montagmorgen kurz vor Ende des Sommersemesters auch eine Gruppe von Studierenden. Bei strömendem Regen stapfen die angehenden Sonderpädagogik- und Grundschullehrkräfte in Gummistiefeln und Regenjacke über einen kleinen Acker zwischen den Campusgebäuden A 7 und A 10, lockern die Erde mit Harken und zupfen Unkraut aus der Erde. „Wir hatten in diesem Sommersemester bisher echt viel Glück mit dem Wetter. Heute ist der erste richtige Regentag“, resümiert Ines Oldenburg, Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Didaktik des Sachunterrichts am Institut für Pädagogik. Einige ihrer Studentinnen und Studenten sind gerade dabei, auf dem von einem selbstgebauten Staketenzaun umgebenen Feld Unkraut zu jäten, andere ernten Fenchel oder Kohlrabi. Auf dem rund 80 Quadratmeter großen „Campusacker“ wachsen seit März auch Mangold, Mais, Lauchzwiebeln, Zucchini, Gurken, Kartoffeln, Zuckererbsen, Tomaten und verschiedene Salatsorten. „Es ist einfach schön, im Studium nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu arbeiten“, sagt Liv Edmunds, die Sonderpädagogik studiert.
„Mit dem Campus-Gemüseacker möchten wir angehende Lehrkräfte darauf vorbereiten, einen Schulgarten zu betreuen“, erklärt Ines Oldenburg. Kinder könnten etwa im Sachunterricht in der Grundschule oder im sonderpädagogischen Bereich durch den Gemüseanbau praktische Erfahrungen mit Umwelt und Nachhaltigkeit machen. Hintergrund ist das UNESCO-Programm „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE), dem sich auch Deutschland verpflichtet hat. Es soll junge Menschen zu ökologisch nachhaltigem Handeln befähigen, wobei Schulgärten eines der Mittel sind, BNE an die Schulen zu bringen. Um dies später als Lehrkraft umsetzen zu können, setzen sich die Studierenden neben ihrer praktischen Arbeit in einem Seminar auch mit den wissenschaftlich-theoretischen Grundlagen von BNE auseinander.
Studien zeigen: Je mehr Nachhaltigkeit junge Menschen an ihren Bildungseinrichtungen erleben, desto nachhaltiger handeln sie
Studien haben gezeigt, dass junge Menschen umso nachhaltiger handeln, je mehr Nachhaltigkeit sie an ihren Bildungseinrichtungen erleben. Ein Gemüseacker, ob an der Uni oder in der Schule, fungiert dabei als Lernort für alle drei Dimensionen von Nachhaltigkeit – die ökologische, die ökonomische und die soziale. Zur ökologischen Dimension gehört vor allem das Wissen um den natürlichen Kreislauf aus Aussaat, Wachstum und Ernte. Die Studierenden lernen, unter welchen Bedingungen Pflanzen wachsen und wie sich Biodiversität, Bodenqualität, Dünger und Witterung auf das Wachstum auswirken – und können dieses Wissen später an die Schulkinder weitergeben. Hinzu kommt die ökonomische Dimension, denn anhand eines Gemüsebeets lassen sich auch wirtschaftliche Fragen wie etwa „Wie rechnet sich Landwirtschaft“ oder „Warum sind Bio-Produkte häufig teurer?“ kindgerecht thematisieren. Nicht zuletzt kann ein Schulgarten die soziale Dimension von Nachhaltigkeit fördern, indem Kinder lernen, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und Verantwortung zu teilen.
Insgesamt 13 Studierende haben in diesem Semester auf dem Campusacker mitgearbeitet. Einer von ihnen ist Justus Koch: „Mit einer dritten oder vierten Klasse in der Grundschule lässt sich so ein Schulgarten gut umsetzen“, ist er überzeugt – und hofft, dass Schülerinnen und Schüler sich dereinst von seiner Begeisterung für den Gemüseacker anstecken lassen: „Es hat mir sehr viel Spaß bereitet, zu sehen, wie aus einer Brachfläche ein richtiger Acker mit vielen verschiedenen Gemüsesorten wird. Das ist einfach ein tolles Erfolgserlebnis“. Dieses Gefühl von Selbstwirksamkeit teilt auch sein Kommilitone Caleb Groenemeyer: „Ich war am Anfang echt skeptisch, ob so ein Ackerbauprojekt funktionieren kann. Doch je länger es dauert, desto mehr Spaß macht es mir, weil man immer mehr von seiner Arbeit sieht und dann auch die Erträge in Form von frischem Gemüse genießen kann.“
Erfolgreiche Kooperation mit der „CampusAckerdemie“
Für den Gemüseacker arbeitet Ines Oldenburg mit der „CampusAckerdemie“ zusammen, einem unter anderem vom Bundesumweltministerium geförderten Bildungsprogramm des Vereins Ackerdemia. Das Sozialunternehmen aus Potsdam fördert zum Beispiel Campusäcker und hilft den Hochschullehrenden dabei, eine geeignete Fläche auszuwählen, passendes Saatgut zu finden und den Anbau von bis zu 30 Gemüsesorten zu planen. Zudem erhält das Projekt eine finanzielle Förderung durch die BINGO-Umweltstiftung Niedersachsen. Innerhalb der Uni unterstützen insbesondere die Abteilung für Grundstückspflege des Gebäudemanagements, das Klimaschutzmanagement und der AStA, dessen Mitglieder den benachbarten CampusGarten pflegen, das Projekt. Dieses ist zunächst auf drei Jahre angelegt und soll bei positiver Evaluation verlängert werden. Im nächsten Jahr möchte Ines Oldenburg zudem Studierende der Informatik einbinden, die ein automatisches Dünge- und Bewässerungssystem entwickeln und auf dem Acker installieren werden. Alba Lynn Seifert, die ebenfalls auf dem Acker mitgearbeitet hat, empfiehlt anderen Studierenden das Campusgartenmodul ausdrücklich: „Ich finde es cool, dass wir auf dem Feld so praxisnah arbeiten. Diese Erfahrung hat man im Studium nicht so oft.“ Die Erträge teilen die Seminarteilnehmenden untereinander auf. Heute haben sie neben Fenchel und Kohlrabi auch Zucchini und Mangold geerntet – ein kleiner Bonus, der auch das Regenwetter schnell vergessen macht.