• Das Bild zeigt einen roten Kegel, der auf einem Rasen steht. Im Hintergrund sind spielende Kinder mit Hula-Hoop-Reifen zu erkennen.

    Aktivitäten im Freien und in der Gruppe sind für die Entwicklung der Physical Literacy besonders wichtig. Daher führt die Stiftung Aktion Hilfe für Kinder einen Großteil ihrer Aktionen in Parks und auf Spielplätzen durch. Stiftung Aktion Hilfe für Kinder

  • Das Bild zeigt Frau Pöppel. Sie lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sind Bäume zu erkennen.

    Katharina Pöppel forscht und lehrt an der Abteilung Sport und Erziehung des Instituts für Sportwissenschaft. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte sind Lehr-Lern-Prozesse im Bereich Sport und Gesundheit. Universität Oldenburg / Daniel Schmidt

Für Bewegung stark machen

Während der Coronapandemie fielen viele Sportangebote für Kinder weg – mit negativen Folgen. Die Sportwissenschaftlerin Katharina Pöppel will mit einem in Deutschland bisher kaum verbreiteten Bewegungskonzept die Freude an Bewegung zurückbringen.

Während der Coronapandemie fielen viele Sportangebote für Kinder und Jugendliche weg. Dies hatte spürbare Folgen für ihre Entwicklung, auch über die reine sportmotorische Kompetenzentwicklung hinaus. Die Sportwissenschaftlerin Katharina Pöppel will die Freude an Bewegung zurückbringen und setzt dabei auf ein in Deutschland bisher kaum verbreitetes Bewegungskonzept.

Eine der ersten Schutzmaßnahmen während der Coronakrise war es, Spielplätze und Sportanlagen für längere Zeitabschnitte zu schließen. Damit fiel ein Großteil der Sportangebote weg, die junge Menschen typischerweise nutzen. Die Folge war, dass sich die sportlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten vieler Kinder und Jugendlicher schlechter entwickelten als bei vergleichbaren Altersgruppen vor der Pandemie – das zumindest legen aktuelle Studien wie die des Motorik-Moduls des Karlsruher Instituts für Technologie nahe. Auch die Oldenburger Sportwissenschaftlerin Dr. Katharina Pöppel beschäftigt sich mit dem Thema. Sie forscht in der Abteilung Sport und Erziehung des Instituts für Sportwissenschaft und sucht nach Lösungsansätzen im Rahmen der Sporterziehung, um bereits Heranwachsende frühzeitig und motiviert an ein aktives Leben heranzuführen. Konkret widmet sich Pöppel der Frage, wie man Lernprozesse optimieren kann, um junge Menschen in ihrer physischen und gesundheitsbezogenen Kompetenz zu fördern.

Schon vor der Pandemie hatten Studien gezeigt, dass nur rund ein Viertel der Kinder in Deutschland es schaffen, sich wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen mindestens 60 Minuten pro Tag moderat bis intensiv körperlich zu betätigen. Während der Pandemie sank diese Aktivität im europäischen Durchschnitt um weitere zwölf Minuten, und eine Umkehr ist seitdem kaum zu beobachten. „Diese Entwicklung ist besorgniserregend, denn die Kindheit hat einen entscheidenden Einfluss auf die weitere motorische Entwicklung“, sagt Pöppel. „Wer sich schon als Kind zu wenig bewegt, wird wahrscheinlich auch als Erwachsener Sport eine geringere Bedeutung beimessen und mit den gesundheitlichen Folgen zu kämpfen haben.“

Ganzheitliches Konzept der „Physical Literacy“ als Basis

Gemeinsam mit Dr. Johannes Carl von der Universität Erlangen-Nürnberg, der Projektmitarbeiterin Louisa Schmittwilken sowie der Stiftungsmitarbeiterin Anne Williges und mit finanzieller Förderung durch die Stiftung „Aktion Hilfe für Kinder“ aus Bremen hat Pöppel im Rahmen einer Studie ein neuartiges Bewegungsprogramm namens „TRYZE.active“ erarbeitet – mit Tipps und Hilfestellungen für eine kindgerechte Bewegungsförderung. Die Basis des Programms bildet das ganzheitliche Konzept der „Physical Literacy“, das bisher vor allem im englischsprachigen Raum verbreitet ist. Die vier Dimensionen dieser „körperlichen Grundbildung“: körperlich-motorische Aspekte, kognitive Aspekte wie das Wissen um die gesundheitlichen Vorteile eines aktiven Lebensstils, psychologische Aspekte wie die Motivation zum Sport, sowie soziale Aspekte, etwa ein respektvolles Teamverhalten im Mannschaftssport. „Wir haben das Konzept zur Grundlage der Studie gemacht, weil es uns nicht um ein Leistungsethos geht – damit meine ich, wie im Schul- oder Vereinssport Kinder zu bestimmten Leistungen anzuleiten. Wir wollen vielmehr zu einem ungezwungenen, professionell begleiteten Sporttreiben einladen, was Spaß macht und für alle einen positiven Zugang zu Sport und Bewegung ermöglicht.“

Das „TRYZE.active“-Programm besteht aus Individual- und Mannschaftssportaktivitäten, die das Team zunächst in zwei Pilotphasen mit Schulkindern an Bremer Grundschulen in freiwilligen Ganztagsangeboten erprobt und evaluiert hat. „Wir haben für unsere Studie den Schulkontext gewählt, weil wir so Kinder aus verschiedenen Bevölkerungsschichten erreichen konnten. Gleichzeitig handelte es sich um ein freiwilliges Angebot, also ohne Zwänge wie Teilnahmepflicht, Leistungstests oder Noten wie sonst im Sportunterricht“, erläutert Pöppel. Die Dimensionen von Physical Literacy wurden dabei konsequent umgesetzt – etwa, indem man die Kinder beim Laufparkour und verschiedenen Ballspielen hat mitentscheiden lassen, wie die Übungen gestaltet werden. „Das hat ganz im Sinne der psychologischen Aspekte von Physical Literacy ihre Motivation zum Sporttreiben erhöht, auch weil sie im regulären Sportunterricht meist nur ein begrenztes Mitspracherecht haben“, erläutert Pöppel. „Die Jungen und Mädchen haben zudem vor und nach einer Ausdauereinheit jeweils ihren Puls gemessen und anschließend die Werte verglichen. Was banal klingt, hat einen großen Effekt. Bei den Kindern blieb hängen: Es geht nicht nur um Dein Können – Bewegung hat einen Wert an sich und hilft Dir, dich weiterzuentwickeln!“, so Pöppel weiter.

Die teilnehmenden Kinder geben dem Programm positives Feedback

Mithilfe der Beobachtungen aus den Pilotphasen verbesserte das Team das Programm weiter, hielt die erprobten Übungen in einem Handbuch fest und setzte sie in der dritten Phase einem weiteren Praxistest aus. Gruppeninterviews mit den teilnehmenden Kindern ergaben schließlich, dass sich das Bewegungsprogramm insgesamt positiv ausgewirkt hat: 57,5 Prozent der teilnehmenden Kinder gaben an, sich bei den „TRYZE.active“-Übungen gerne mit den anderen Kindern bewegt zu haben – ein deutlich besseres Ergebnis im Vergleich zu den 32,5 Prozent, die dies über den ebenfalls abgefragten Sportunterricht sagten. Ganze 77,5 Prozent sagten zudem, sie hätten in den Übungen viel über ihren Körper gelernt (versus 20 Prozent im Sportunterricht). Rund zwei Drittel der Kinder hat sich auf jede Bewegungseinheit gefreut – über den Sportunterricht an ihrer Schule sagte dies nicht einmal ein Drittel. „Diese Aussagen zeigen, dass das von uns entwickelte Programm insbesondere bei den kognitiven und psychologischen Aspekten Vorteile gegenüber dem regulären Sportunterricht haben kann. Diese Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. Der von uns gewählte Ansatz ist sehr gut geeignet, um Kindern in ihrer Freizeit wieder mehr Spaß am Sport zu vermitteln“, resümiert Pöppel.

Die Stiftung „Aktion Hilfe für Kinder“ führt das „TRYZE.active“-Programm weiter und bietet es aktuell als Nachmittagsangebot in Bremer Schulen an. Das TRYZE.active-Handbuch liegt digital vor und kann von Interessierten bei der Stiftung „Aktion Hilfe für Kinder“ angefragt werden. Zudem hat die Stiftung ein „TRYZE.mobil“ entwickelt: Mit einem Kleinbus steuert sie Spielplätze in Stadtteilen an, in denen vor allem sozioökonomisch schwächer aufgestellte Kinder leben. Allein durch das Mobil werden so pro Woche teils mehr als 2.200 Kinder erreicht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Frontalansicht des neuen Gebäudes. Es handelt sich um einen Klinkerbau mit Glasfront im Erdgeschoss. Im Vordergrund befinden sich Wege und Fahrradständer sowie mehrere Wiesenstücke
Campus-Leben Sportwissenschaft

Mehr Platz für Forschung und Bewegung

Ein neues Aushängeschild für den Sport: Im neuen „Forschungs- und Trainingszentrum Sport“ der Universität finden Kurse des Hochschulsports und…

mehr: Mehr Platz für Forschung und Bewegung
Top-Thema Sportwissenschaft

Tagsüber Uni, abends Fußballplatz

Sarah Schulte spielt in der Frauen-Fußballbundesliga, gleichzeitig promoviert sie am Institut für Sportwissenschaft der Universität. Ein Spagat…

mehr: Tagsüber Uni, abends Fußballplatz
Olympia-Logo hinter einer mit Regentropfen benetzen Scheibe.
Top-Thema Sportwissenschaft

„Die Faszination ist weg“

Sportliche Großereignisse wie die Olympischen Spiele stehen immer mehr in der Kritik. Darüber, ob derartige Wettkämpfe noch zeitgemäß sind, spricht…

mehr: „Die Faszination ist weg“
Presse & Kommunikation (Stand: 15.10.2025)  Kurz-URL:Shortlink: https://uole.de/p82n12059
Zum Seitananfang scrollen Scroll to the top of the page